Der Weißrückengeier mit dem Ring G31384 und den gelben Plastikmarken J121 an den Flügeln wurde am 16. Oktober 2016 zusammen mit weiteren 13 Artgenossen als Küken auf der Farm Aris südlich der Hauptstadt Windhoek beringt und markiert. Der junge Geier saß in einem flachen 770 x 1060 Millimeter großen Nest aus trockenen Zweigen, 11,5 Meter über dem Boden, hoch oben auf einem Weißdorn (Acacia karroo). Knapp 200 Meter entfernt war das nächste Nest eines Weißrückengeiers mit Küken.
J121 wog damals 4,7 Kilogramm und war gemessen an der Länge seiner Schwungfedern etwa 85 Tage alt. Weißrückengeierküken sind nach rund 130 Tagen flügge, aber die Eltern kümmern sich noch weitere 5 bis 6 Monate um ihren Nachwuchs. Wie alle unsere Geier legen auch Weißrückengeier nur ein einziges Ei pro Jahr. Experten sind der Meinung, dass nur 30 Prozent der Küken das erste Lebensjahr erreichen.
J121 wurde am 15. Juni 2017 – acht Monate und zwei Tage (242 Tage) nachdem er beringt worden war – auf der Okonjima Lodge gesehen, 221 Kilometer nördlich der Stelle, an der er aus dem Ei geschlüpft war. Einen Monat später, am 28. Juli 2017, tauchte J121 am Aasgeier-Restaurant von NARREC (Namibia Animal Rehabilitation, Research and Education Centre) in Brakwater bei Windhoek auf, 178 km von der Stelle an der er zuletzt gesichtet worden war. Einige Monate vergingen und am 13. März dieses Jahres (2018) stillte J121 zusammen mit anderen Geiern wieder seinen Hunger am Geier-Restaurant bei NARREC, was die dortige Kamerafalle registrierte.
Zahlreiche Weißrückengeier und ein Ohrengeier hatten sich am 4. April dieses Jahres auf der Farm Wiese, südlich von Windhoek und östlich von Rehoboth, am Kadaver eines Kalbes versammelt. Unter ihnen befand sich J121. Ein Jahr, fünf Monate und 20 Tage waren vergangen seit der junge Weißrückengeier als Küken beringt wurde. Die Farm Wiese befindet sich 115 km von der Stelle entfernt an der J121 zuletzt gesehen wurde.
Es zeigt wieder einmal, wie weit Aasgeier fliegen, um Futter zu finden. Deshalb ist es wichtig, dass Farmer in Namibia kein Gift auslegen, da Geier aus dem Norden des Landes im Süden vergiftet werden könnten. Vor kurzem wurden wieder tote und kranke Geier im Süden des Landes gefunden. Der Grund für den Tod der Aasfresser und der schwache Zustand weiterer: Gift!
Aasgeier in Namibia, im südlichen Afrika und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent sind vom Aussterben bedroht. In Namibia stehen der Weißrückengeier, der Ohrengeier, Schmutzgeier, Kappengeier und Wollkopfgeier auf der Liste der bedrohten Arten, der Kapgeier steht auf der Liste der besonders bedrohten Vogelarten.
In Namibia beringte, markierte und mit Peilsendern ausgerüstete Geier beweisen, dass die Vögel nicht nur in ganz Namibia auf Nahrungssuche gehen, sondern auch in die Nachbarstaaten Südafrika, Botswana, Simbabwe, Sambia und Angola wandern. In Südafrika beringte und markierte Geier wurden hierzulande in der Namib-Wüste und am Okavango sowie auf Farmen gefunden oder gesehen. Es zeigt, dass der Schutz dieser Vögel, die auch als Gesundheitspolizei bekannt sind, nicht nur national, sondern auch regional und kontinental stattfinden muss.
Dirk Heinrich