Seit Menschengedenken leben die Aawambo in Harmonie mit ihrer Umwelt. Bäume, Sträucher und Nichtholzprodukte des Waldes werden für vielerlei Zwecke genutzt. Früchte werden frisch oder getrocknet verzehrt und finden Verwendung in alkoholfreien und alkoholischen Getränken, für Bier, Marmelade und als Speiseöl oder als Feuchtigkeitsspender bei der Hautpflege. Früchte sorgen insbesondere in Dürreperioden für Nahrungssicherheit und sind eine wichtige Einnahmequelle. Familien in ländlichen Gegenden verkaufen sie auf örtlichen Märkten und sogar bis nach Windhoek oder noch weiter.
Ein spezieller Baum jedoch hat für die Aawambo eine ganz besondere Bedeutung: der Omugongo- oder Marula-Baum. Auf Feldern und in der Nähe von Gehöften ist er kaum zu übersehen. Er wird als Schattenspender geschätzt und liefert zudem eine Vielzahl von Produkten. Vor allem aber ist der Omagongo sehr beliebt, ein erfrischender weißlicher Wein, der aus Marula-Früchten hergestellt wird.
Das Sammeln und Verarbeiten der Früchte nutzen Frauen, um Kontakte zu pflegen und ihr Wissen über das Herstellungsverfahren an die jüngere Generation weiterzugeben, damit die kulturellen Bräuche erhalten bleiben. Die runden bis ovalen Früchte (Oongongo) wachsen zwischen Ende Januar und April/Mai in vier bis acht Wochen heran. Sie sind noch grün, wenn sie vom Baum fallen und reifen innerhalb von zwei bis vier Tagen. Gruppen von Frauen und Mädchen ab fünf Jahren tragen die auf dem Boden liegenden Früchte zu kleinen Haufen unter den Bäumen zusammen und sortieren sie nach Qualität.
Die Entsaftung findet üblicherweise am frühen Nachmittag mit Hilfe der Nachbarn statt. Omagongo – was „Marula-Wasser“ bedeutet – wird meistens aus jeweils nur einem Baum gebraut, aber bisweilen werden auch die Früchte verschiedener Bäume zusammen verarbeitet. Mit der scharfen Kante eines Rinderhorns wird die ledrige Haut der Frucht durchtrennt und um den Kern gedreht, so dass der Saft in einen Behälter gedrückt wird. Dann kommt er in einen Tontopf, der mit einem Tuch bedeckt und zum Fermentieren bis zu vier Tage lang an einem kühlen, dunklen Ort gelagert wird. Süßer Marula-Saft braucht länger zum Gären und verursacht schneller einen Schwips.
Wenn die Marula-Früchte reifen, wird in den meisten Haushalten Omagongo gebraut. Der erste Wein war traditionellerweise für das Stammesoberhaupt oder den König bestimmt, aber auch Gästen wird er serviert. Das Getränk kann fast ein Jahr lang aufbewahrt werden, wenn es in Tontöpfen unter der Erde gelagert wird. Frauen und Kinder trinken gerne Fruchtfleisch gemischt mit Wasser als Saft.
Früher feierten die acht Aawambo-Stämme (Aandonga, Aakwanyama, Aakwambi, Aangandjera, Aakwaluudhi, Aambalantu, Aakolonkadi und Ovambadja) den Beginn der Marula-Saison jeder für sich, doch seit dem ersten gemeinsamen Festival 2001 in Ongandjera wird es jedes Jahr reihum ausgerichtet. Besonders bedeutsam ist, dass das Marula-Festival 2015 in die Repräsentative UNESCO-Liste des immateriellen Welterbes der Menschheit aufgenommen wurde. Das Festival bringt Gemeinschaften zusammen, feiert die Naturverbundenheit der Aawambo und stärkt Kultur, Bräuche und Erbe.
Dieses Jahr fand das Festival unter dem Motto „Omagongo Our Heritage / Uuthiga Wetu“ am Wochenende vom 26. und 27. April statt: im Ombala (Palast) des Ongandjera-Königs Johannes Mupongolitha Tweuthigilwa Tshoombe Mupiya. Das zweitägige Programm beinhaltete Vorträge über die Geschichte von Ongandjera, des Omagongo Festivals und weiterer Oshiwambo-Kulturfeste, außerdem Geschichten, die am Feuer erzählt werden, und zahlreiche künstlerische Aufführungen. Natürlich gab es auch die unvermeidlichen Ansprachen einer Reihe von Würdenträgern – allen voran der Gastgeber, Namibias Gründungspräsident und Schirmherr des Omagongo Festivals Sam Nujoma, sowie Premierministerin Saara Kuugongelwa und ihre Stellvertreterin Netumbo Nandi-Ndaitwah. Vizepräsident Nangolo Mbumba hielt die Eröffnungsrede.
Nächstes Jahr soll das Festival im Ombalantu-Gebiet stattfinden.
Was den Marula-Baum wirklich bemerkenswert macht, ist die erstaunliche Vielfalt an Produkten, für die er die Zutaten liefert. Das Fruchtfleisch, das den harten Kern umgibt, hat einen süßsauren Geschmack, der an eine Mischung aus Litschi, Guave und Ananas erinnert. Es enthält Zitronensäure, Apfelsäure und Zucker und bis zu 180 mg Vitamin C pro 100 g – zweieinhalb Mal so viel wie Orangensaft. Die reifen Früchte werden roh gegessen oder zu Marmelade und Gelee verarbeitet.
Das Fruchtfleisch wird von den Kernen getrennt und in einem Behälter aufbewahrt. Die Kerne werden enthäutet, in der Sonne getrocknet und erst nach der Haupternte verarbeitet. Dazu werden sie mit einem Beil geöffnet und der Samenkern wird mit einer Nadel oder einem abgeflachten Nagel entnommen. Die Schalen werden später als Dünger verwendet.
Der Ölgehalt der Kerne liegt bei knapp 46 %, während der Proteingehalt etwa 28 % beträgt. Die Kerne haben einen nussigen Geschmack und werden manchmal geröstet. Sie werden bei der Bierherstellung untergemischt. Um das Öl (Ondjove) zu gewinnen, werden die Kerne mit einem Mörser zerstoßen. Marula-Öl wird zum Kochen verwendet, mit Brei gegessen oder als natürliches Hautpflegeprodukt genutzt. Eedi, der Ölkuchen, der im Mörser zurückbleibt, wird als Lebensmittelzusatz verwertet oder als Imbiss gegessen. Er ist eine wichtige Nahrungsergänzung, insbesondere am Ende der Trockenzeit und zu Beginn der Regenzeit.
Der Omungongo liefert auch Stoffe mit medizinischer Wirkung. Ein Wurzelextrakt wird zur Linderung von Zahnschmerzen verabreicht, während Ohrinfektionen mit der Rinde und dem Öl behandelt werden. Die Blätter werden bei Mandelentzündung, die Zweige gegen Husten und die Stiele bei Sodbrennen eingesetzt.
Willie Olivier