Sie sind länglich, haben zumeist eine Kerbe, aber unterschiedliche Farben, je nach Teig und Mehlbestäubung und lassen sich ganz variabel mit Käse, Aufschnitt, Schinken und gar Leberkäse belegen – Brötchen. Dazu eine Tasse Kaffee und die Welt ist in Ordnung. Brötchen sind in Namibia der Inbegriff schlechthin für die kleine Kaffeepause am Vormittag, das dienstliche Treffen außerhalb des Büros oder als Zwischenmahlzeit unterwegs beim Autofahren.
Von deutschen Siedlern vor über hundert Jahren in Namibia eingeführt, sind die Brötchen, „klein brootjies“ (Afrikaans), „brottchen“ (mit englischem Akzent) oder „rolls“ (kleine gerollte Teigware) im Laufe der Zeit auch bei Anderssprachigen ein fester Begriff geworden. Bei vielen Schnell-Imbiss-Buden erhält man belegte Brötchen. Pfiffige Allein-„Unternehmer“ kaufen ganz frühmorgens bei Bäckereien in Windhoek trockene Brötchen, belegen sie und verkaufen sie sorgfältig verpackt an Mitarbeiter in verschiedenen Firmenbüros. Ein informeller Händler im Süden von Windhoek fährt wochentags mit dem Fahrrad – Korb vorne dran mit einer großen Tüte trockener Brötchen, in der „Coolbox“ auf dem Gepäckträger Margarine, Käse und Aufschnitt – und belegt die Brötchen nach den Wünschen seiner Kunden vor ihren Augen am Straßenrand.
Bei Firmenfeiern werden belegte Brötchenhälften en masse bestellt, die hübsch dekoriert auf großen Platten die Buffets bereichern, und Familien verfüttern belegte Brötchen an den Nachwuchs bei der Fahrt auf die Farm, an die Küste oder zum Picknick am Strand. Butterbrote stehen erst an zweiter Stelle. Daheim kaufen Familienväter an Wochenenden nach dem Joggen große Tüten mit frischen Brötchen für das gemütliche Familienfrühstück.
Der Ausdruck ‚Brötchen‘ hat sich hierzulande gegenüber Semmel, Wecke und Schrippe durchgesetzt. Auch in Namibia gibt es gewöhnliche Brötchen, also Weizenbrötchen, aber auch Milchbrötchen, Roggen- und Roggenschrotbrötchen, Laugenbrötchen, Mohnbrötchen und Sesambrötchen. Weitere Neuerungen sind Maisbrötchen, portugiesische Brötchen und Ciabattas. Ein Windhoeker Supermarkt bietet sogar ,Mamma Mia‘-Brötchen und pechschwarze Kohlebrötchen an.
Es gibt allerdings auch weiche Kreationen, die keine knusprige Kruste haben und die man kaum durchschneiden kann, da der Teig sich langziehen lässt. Auch hierfür gibt es Liebhaber, ein wahrer Brötchen-Gourmet, der Backtradition schätzt, bevorzugt jedoch knusprige Brötchen.
Bei Regenwetter im Inland können die sonst so krossen Brötchen plötzlich ,papp‘ (weich) werden, wie man hierzulande sagt. An der Küste schmecken Brötchen sowieso anders. Da gilt es, die frischgebackenen Köstlichkeiten ofenwarm beim Bäcker in einer Papiertüte zu ergattern und zügig zu verspeisen.
Früher gab es in Namibia viele kleine Bäckereien, auch in kleinen Orten, die nach und nach verschwanden, als Supermärkte ihre eigenen Bäckereien etablierten. In Outjo hatte sich sehr lange eine kleine Bäckerei mit Café gehalten, die Bäcker hatten noch bei Deutschsprachigen gelernt. Unterwegs zum Etosha-Nationalpark hielt man zur Kaffeepause dort an und aß noch schnell ein belegtes Brötchen dazu. Inzwischen gab es große Modernisierungen für das Cafe in Outjo.
Man muss schon ein bißchen suchen, um seine Lieblingsbrötchen-Sorten in Namibia zu bekommen. Eine neuere Entdeckung ist eine Tankstelle im Windhoeker Vorort Eros. Hierher kommen Kunden am Samstagmorgen aus entfernteren Vororten, um in dem kleinen Lädchen Brötchen fürs Frühstück zum Wochenende zu holen. Der Laden brummt auch wochentags, da viele Berufstätige sich dort belegte Brötchen holen. Ein großes Verlagshaus mit drei Zeitungen ist quasi nebenan, täglich finden sich hungrige Journalisten ein. Der kleine Plausch mit anderen Kunden und der Belegschaft beim Anstehen gehört dazu. Auch Brot und Baguette wird dort gebacken, mittags ist meistens schon alles ausverkauft. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ hat Michail Gorbatschow einmal gesagt.
„Le Pain Café“ existiert seit fünf Jahren und ist ein Familienbetrieb, die Tankstelle gehört dazu. „Seit ich zehn Jahre alt war, träumte ich von einem eigenen Café an der Ecke – aber in Paris“, sagt Stephaan Coetzee, Sohn der Pächter und leidenschaftlicher Bäcker. Coetzee hat nach der Schule seine Ausbildung an einer renommierten Kochschule in Südafrika gemacht, Backen gehörte dazu. In Übersee sammelte er weitere Erfahrungen, kehrte zurück, arbeitete aber zunächst im Baubetrieb seines Vaters. „Eine eigene Bäckerei zu gründen ist teuer, den Traum mit Paris gab ich auf, ich bin ja Namibier. 2014 ergab sich die Pacht mit der Tankstelle und dem kleinen Laden, der Raum hinten war wie geschaffen für einen kleinen Backbetrieb, ich fing ganz klein an“, erinnert er sich. „Wir backen mit Sauerteig – fabrikmäßige Brötchenproduktion mit Zusatzstoffen gibt es bei uns nicht. Es ist jeden Tag anders und spannend wie der Teig wird, auch im Sommer und Winter, man muss mal mehr mal weniger Wasser hinzufügen, die Konsistenz hat mit dem Wetter zu tun.“ Angelernt hat er seine einheimischen Bäcker selbst, die egal – ob Herero- oder Oshiwambo-sprechend – routiniert Brötchen nach deutscher Art mit Mittelkerbe, außen knusprig, innen weich und mit Mehl bestäubt, backen.
Eher kleine Brötchen werden in einer bestimmten Bäckerei mit Café in Swakopmund gebacken, sie sind auch rund und fallen optisch sozusagen doppelt auf. Schmecken tun sie hervorragend. Männer machen meist kurzen Prozess und bestellen sich gleich ein zweites oder sogar drittes belegtes Brötchen dazu.
In Deutschland gab es übrigens bis 1957 eine vorgeschriebene Brötchen-Norm was Gewicht und Länge betrifft, in Namibia nicht. Trotzdem wiegen in Namibia Brötchen meistens bis zu 100 Gramm – ohne Belag – und sind meist acht bis zehn Zentimeter lang. Geschmäcker sind bekanntlich verschieden und die Brötchen-Auswahl für den kleinen Hunger zwischendurch ist in Namibia für die Einwohner und Touristen auch nach über hundert Jahren eingeführter Backtradition groß.
Brigitte Weidlich